Wir dokumentieren nachfolgend die Eröffnungsrede in leicht gekürzter Form, die unser Vorstandsmitglied Sebastian Sudrow auf der IfKI-Auftaktveranstaltung am 09.10.2025 gehalten hat.

Hallo und guten Abend. Ich begrüße Euch und Sie herzlich zur Eröffnung unseres Instituts für KI und demokratische Transformation – kurz IfKI. Mein Name ist Sebastian Sudrow. Ich bin Teil des Vorstands des gleichnamigen Vereins und darf den Auftakt übernehmen. (…)

Beginnen möchte ich (…) – schon allein aus Transparenzgründen – mit den Personen hinter dem IfKI. Entstanden ist die Institutsidee in der Kanzlei BKP & Partner, die in der Etage über uns sitzt. Als Anwälte – und ich bin einer davon – setzen wir uns seit über 20 Jahren mit allen juristischen Facetten der Digitalisierung auseinander: vom Datenschutz bis zur Umsetzung von KI-Projekten. Zu unseren Mandantinnen und Mandanten gehören Kulturschaffende, Unternehmen, Verbände, NGOs und Start Ups, darunter auch „Datensklaven“ und „Datenfresser“, um zwei Bezeichnungen aus Buchtiteln von Constanze Kurz und Johannes Caspar zu zitieren.

Wir sind aber nicht nur Anwälte. Wir sind auch und vor allem interessierte Menschen ohne Parteibuch, die über die aktuellen technologischen und gesellschaftlichen Umwälzungen nachdenken und dies nicht länger allein tun wollen. (…)

Kommen wir nun zu einem kleinen Programmierfehler des IfKI. Unser Vorstand besteht derzeit aus vier älteren Männern. Dass er mit mir einen der jüngeren vorgeschickt hat, lenkt von dieser traurigen Tatsache leider nur mäßig ab. Dieser anachronistische Zustand wird allerdings nur von kurzer Dauer sein, das versprechen wir Euch und Ihnen.

Worum geht es dem IfKI? Letztlich dreht sich unser Institut um das zwiespältige – früher hätte man gesagt: dialektische – Verhältnis von Technologie und Fortschritt. Alltagssprachlich ist oft vom „technologischen Fortschritt“ die Rede, als gehörten diese beiden Begriffe natürlich zusammen, als brächte Technik den Fortschritt oder drastischer, als erfordere Fortschritt Technologie. Historisch betrachtet ist das Verhältnis jedoch weitaus komplexer.

Die Menschheit hat eine Reihe von Technologien hervorgebracht, die ihre jeweilige Epoche geprägt und die Zukunft nachhaltig verändert haben: zum Beispiel den Faustkeil, die Zähmung des Feuers, den Buchdruck, die Seefahrt, die Elektrizität, die industrielle Produktion, das Automobil, den Computer, die Atomkraft und das Internet. Ich weiß, diese Aufzählung ist unvollständig. Sie macht aber zwei Sachen deutlich.

Das sind alles Errungenschaften, die das Leben in unseren Breitengraden angenehmer gemacht haben, die auf das Konto der sogenannten „Zivilisation“ einzahlten. Diese Technologien hatten und haben aber keineswegs ausschließlich positive Auswirkungen auf die Menschheit. Die Seefahrt brachte auch den Kolonialismus, die industrielle Produktion Ausbeutung und Klimakrise, das Automobil Unfälle und die Atomkraft Tschernobyl und die Atombombe.

Und nun: künstliche Intelligenz. KI ist vielleicht unsere epochale Technologie. Sie ist wissenschaftlich beeindruckend und faszinierend. KI hilft bereits bei der Diagnose von Krankheiten und bei der Entwicklung von Medikamenten. Sie eröffnet Menschen mit Behinderungen neue Möglichkeiten der Teilhabe. Sie übersetzt in Echtzeit zwischen Sprachen und überwindet damit Verständigungsbarrieren.

Aber ihr tatsächliches Potential ist gegenwärtig im doppelten Wortsinn Gegenstand von Spekulation. Im derzeitigen Hype scheint es so, als sei KI die Antwort auf alle Fragen, die Lösung für alle Probleme. Sie ist geopolitisch und wirtschaftlich die einzige große Wette auf die Zukunft.

Ob KI all den überbordenden Verheißungen gerecht werden kann und ob sie irgendwann die Klimakrise oder den Fachkräftemangel löst, wie Technikoptimist:innen versprechen, wage ich zu bezweifeln.

Large Language Models und generative KI sind nur eine mögliche Ausprägung dieser Technologie, die jedenfalls aktuell eine bemerkenswert enge Vorstellung davon aufweist, wie die Welt ist und wie sie sein sollte. Welche Form von KI entwickelt wird, welche Werte sie verkörpert und wessen Interessen sie dient – all das wird von wenigen Big-Tech-Unternehmen entschieden, von denen keines seinen Hauptsitz in Europa hat. Ihre Entscheidungen sind nicht altruistisch, sondern ideologisch und kommerziell motiviert.

Auch der technologische Fortschritt, den wir mit KI sehen, muss in der Gesamtbilanz nicht zwingend ein gesellschaftlicher sein.

Denn auch das ist KI: sie extrahiert alle irgendwie verfügbaren Daten und Inhalte als Rohstoff, ohne Zustimmung oder Kompensation. Sie lässt Menschen im globalen Süden als Clickworker zu Hungerlöhnen Trainingsdaten annotieren und furchtbarste Inhalte rausfiltern. KI verschlingt astronomische Mengen an Energie und Wasser für ihre Rechenzentren, während sie die ökologischen Kosten externalisiert.

Vieles davon ist verschleiert oder unsichtbar. Aber ihre negativen Folgen für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Bewusstsein, Weltverständnis, Umwelt, Bildung, Kunst oder Arbeit kündigen sich nicht an. Sie sind schon da.

Wir brauchen nicht über AGI, Superintelligenz und langfristige Weltuntergangsszenarien zu reden, die von KI-Unternehmen in verdrehter Weise als Marketing an die Wand gemalt werden. Die Gegenwart genügt.

KI erstellt schon heute überzeugende Phishing-Mails und Deepfake-Bilder. Sie führt zum Verschwinden von Arbeitsplätzen. Sie steuert Waffen und ausgeklügelte Überwachungssysteme.

Sind wir wirklich bereit all das ungefragt in Kauf zu nehmen? Haben wir wirklich eine hinreichende Toleranz für all die Mittelmäßigkeit und die Fehler, mit denen die Technik den sozialen Raum flutet? Und hat Regulierung – zumal in einem fragilen geopolitischen Umfeld – überhaupt noch eine Chance?

Über all das wollen wir im IfKI zusammen nachdenken und diskutieren. Wir haben uns überlegt, dies aus zwei Richtungen zu versuchen. Aus der Theorie mit öffentlichen Buchvorstellungen und Vorträgen und aus der Praxis mit Möglichkeiten zum Austausch im kleineren Kreis, mit Werkstattberichten und Seminaren.

Das Institut ist dabei bewusst ein physischer Ort. Nicht aus nostalgischer Anhänglichkeit an vordigitale Zeiten, sondern aus der Überzeugung heraus, dass die Begegnung von Menschen Raum braucht. (…)

Wir wünschen Euch und Ihnen heute Abend Erkenntnisgewinne und uns mit dem IfKI stets Offenheit und Kritikfähigkeit. Wir sind überzeugt davon, dass der Austausch von Ideen und Argumenten mehr ist als der Austausch von Datenpaketen. Diese These wollen wir heute Abend zum ersten Mal auf die Probe stellen. Vielen Dank.